Aufschieben vs. Prokrastination – Was ist der Unterschied?

„Ich leide an Prokrastination.“ Ein Satz, der Vielen von den Lippen geht, wenn sie beschreiben möchten, dass sie eine Aufgabe lange vor sich her geschoben haben und sie entweder gar nicht oder erst auf den letzen Drücker erledigt haben.

Klassische To-dos, die von einer Liste auf die nächste wandern sind z.B. Sport treiben, Arzttermine ausmachen, sich um die Finanzen kümmern. 82% der Deutschen haben durch das Aufschieben von Aufgaben sogar schon finanzielle, berufliche oder gesundheitliche Nachteile erlitten (Sinus-Institut, 2013).

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird Aufschieberitis oft synonym zu Prokrastination verwendet. Das ist jedoch nicht richtig. Was genau sich hinter den Begriffen „Prokrastination“ und „Aufschieberitis“ verbirgt werde ich in diesem Artikel erklären und aufzeigen, wo ein bedeutsamer Unterschied liegt und weshalb das Aufschieben von To-dos nicht das Gleiche ist wie zu prokrastinieren.

Was ist Aufschieberitis?

Bei einer Umfrage vom Sinus Institut kam heraus, dass sich 1/3 der Deutschen als Aufschieber bezeichnen. Wenn du dich also regelmäßig vor blöden Aufgaben drückst, bist du in guter Gesellschaft. Das bedeutet jedoch nicht, dass du auch prokrastinierst. Worin genau der Unterschied liegt, dazu kommen wir gleich.

Wenn man unangenehme Aufgaben, wie das Schreiben der Bachelorarbeit, das Putzen der Fenster oder die Steuererklärung auf später verschiebt und von einer To-do-Liste auf die nächste schreibt, dann spricht man umgangssprachlich von Aufschieberitis.

Sich Dinge vorzunehmen und sie dann doch nicht zu erledigen ist ziemlich normal. Und in einem gewissen Rahmen auch gesund! In der Psychologie werden vier verschiedene Grundbedürfnisse unterschieden und eines davon ist „Lustgewinn und Unlustvermeidung“. Das sagt im Wesentlichen aus, dass wir mehr von dem machen möchten, dass Spaß macht – und Dinge vermeiden wollen, die uns frustrieren, ärgern, nerven oder langweilen.

Menschen, die aufschieben – also an „Aufschieberitis“ leiden, versuchen also diese unangenehmen Gefühle so lange wie möglich herauszuzögern. Sie nehmen sich immer wieder vor sich der leidlichen Aufgabe zu widmen, schieben sie dann jedoch auf, obwohl sie sich der negativen Konsequenzen bewusst sind. Um die Stimmung kurzfristig zu heben, lenken sich die Aufschieben:innen ab, in dem sie z.B. Serien schauen oder durch Instagram scrollen. Dadurch verlieren sie wieder Zeit, die sie für die Erledigung ihrer Aufgaben bräuchten und sie geraten in Stress.

In der Regel schaffen sie es aber noch kurz vor knapp die Deadline einzuhalten und die Aufgabe zu erledigen.

Der Unterschied von Aufschieben vs. Prokrastination: 26% finden, dass "Dinge aufschieben" ihre schlechteste Eigenschaft ist.
💡Zur Umfrage: 1.001 Deutsche ab 14 Jahren wurden befragt: „Was ist Ihrer Meinung nach Ihre schlechteste Angewohnheit?“ (TNS Emnid, 2011). 26% antworten „Dinge aufschieben“. Direkt auf Platz 2 folge „keinen Sport treiben“ und auf Platz 3 „rauchen“.

Zusammenfassung: Aufschieberitis ist ein alltägliches Phänomen und beschreibt das wiederholte und wusste Hinauszögern von Aufgaben und Entscheidungen, die erledigt werden müssen. Die Tätigkeiten werden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und werden meist erst kurz vor Fälligkeit angegangen.

Was ist Prokrastination?

Weil sich prokrastination von dem dem lateinischen procrastinare = auf Morgen verschieben ableitet, wird umgangssprachlich häufig aufschieben synonym zu dem Begriff Prokrastination verwendet. Fachlich gesehen ist dies jedoch falsch.

Während der Großteil der Bevölkerung regelmäßig aufschiebt, ist nur ein kleiner Teil auch von „Prokrastination“ betroffen. Befragungen der Uni Münster zeigen, dass 98% schon mal etwas aufschieben. Doch nur ca. 7 bis 14 % erreichen in Untersuchungen sehr viel höhere Werte als andere Studierende, die Hilfe in der Prokrastinationsambulanz gesucht hatten.

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Das ewige Aufschieben von Aufgaben kann zum ernsten Problem werden, wenn z.B. wichtige Aufgaben nicht oder erst zu spät erledigt werden. Jemand, der an Prokrastination leidet, schiebt also auch Aufgaben auf, die für ihn sehr wichtig sind:

  • Die Fertigstellung und Abgabe der Bachelorarbeit
  • Die Vereinbarung eines Arzttermines bei gesundheitlichen Beschwerden
  • Die Suche einer neuen Wohnung, weil der alte Mietvertrag ausläuft
  • Das Unterschreiben und Zusenden von Arbeitsverträgen
  • Das Antworten auf WhatsApp-Nachrichten von Freunden
  • Das Verlängern des abgelaufenen Personalausweises
  • etc.

Dies kann sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirken, wie die akademische oder berufliche Leistung, die persönlichen Beziehungen, die Gesundheit oder das allgemeine Wohlbefinden.  Wenn zulange aufgeschobene wird, steht dann z.B. der Uni-Abschluss steht auf der Kippe, man verliert seinen Job oder die Wohnung oder Freunde sind so verärgert, dass sie den Kontakt abbrechen.

Psychologen und Psychologinnen sprechen dann von Prokrastination und meinen damit ein pathologisches (= krankhaftes) Aufschiebeverhalten. Das muss ernst genommen werden und ist nicht mit Faulheit gleichzusetzen.

Im Gegensatz zur Aufschieberitis, bei der das Aufschieben möglicherweise nur vorübergehend oder vereinzelt auftritt, wird Prokrastination als langanhaltendes Verhaltensmuster betrachtet, das sich über einen längeren Zeitraum wiederholt und schwer zu durchbrechen ist. Prokrastination kann zu einem fiesen Teufelskreis führen, in dem die aufgeschobenen Aufgaben immer größer und belastender werden, was wiederum das Aufschieben verstärkt und die Probleme weiter verschlimmert.

Chronisches Aufschieben kann als Begleiterscheinung einer psychischen Störung auftreten. Besonders typisch ist es bei Depressionen, Angststörungen und auch bei ADHS. Für die Behandlung ist es dann entscheidend, dass zuerst die primäre Erkrankung (also die, die zuerst da war) therapiert wird.

Prokrastination kann jedoch auch als Ursache für eine psychische Störung in Frage kommen. Durch das ständige Aufschieben leiden das Selbstwertgefühl und Wohlbefinden, wodurch psychische Symptome entstehen können. Diese Symptome umfassen dann z.B. Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, schlechte Stimmung und Ängste.

Zusammenfassung: Prokrastination ist im Gegensatz zur klassischen Aufschieberitis eine pathologische Arbeitsstörung, bei der die Betroffenen deutlichen Leidensdruck haben und negative Auswirkungen in verschiedenen Lebensbereichen spüren.

Wie unterscheidet sich Aufschieberitis von Prokrastination?

Ein wichtiger Unterschied zwischen Aufschieberitis und pathologischer Prokrastination ist, dass klassische Aufschieber die zu erledigende Aufgabe auf den letzten Drücker zu Ende bekommen. Dabei leidet jedoch oft auch die Qualität. Menschen, die prokrastinieren, erledigen ihre To-dos erst verspätet oder werden nicht rechtzeitig fertig und erleiden dadurch gesundheitliche, berufliche und/oder finanzielle Nachteile.

Häufige Fragen zu Aufschieberitis und Prokrastination

Welche Diagnose bei Prokrastination?

Prorastination ist (noch) keine eigenständige Diagnose im ICD-10. Psychotherapeut*innen können die Symptome unter der Diagnose „F63.8 sonstige abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“ zusammenfassen.

Welche Therapie bei Prokrastination?

Bei Prokrastination hilft kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Bei einer weniger stark ausgeprägten Aufschieberitis kann auch eine psychologische Beratung helfen.

Was sind die Ursachen für Prokrastination?

Die Ursachen für chronisches Aufschieben sind umfangreich und sehr individuell. Zu den häufigsten gehören das Vorhandensein von psychischen Erkrankungen wie z.B. ADHS, Angst vor unangenehmen Gefühlen, fehlende Motivation, unzureichendes Zeitmanagement und schlechte Impulskontrolle.

Was ist das Gegenteil von Prokrastination?

Das Gegenteil nennt sich „Präkrastination“ und beschreibt den Drang, alles sofort erledigen zu müssen und die Unfähigkeit Dinge liegen zu lassen.

Ist Prokrastination/Aufschieberitis heilbar?

Ja, es gibt Möglichkeiten und Techniken, die helfen können Aufschieberitis zu überwinden.

Wie viele Menschen prokrastinieren?

Etwa 98% aller Menschen schieben mal eine Aufgabe auf. Das ist also ganz normal. 7-14% schieben deutlich häufiger aus, sodass auch (schwere) negative Konsequenzen entstehen und man von Prokrastination spricht.

Warum schieben wir auf? – Die Ursachen von Aufschieberitis & Prokrastination

Die Ursachen für häufiges Aufschieben sind vielfältig und fast so individuell wie jede Person, die davon betroffen ist. Die bekanntesten und häufigsten Gründe für das Aufschieben von unangenehmen Aufgaben sind folgende:

  • Fehlende Motivation / sich nicht aufraffen können
  • Angst zu versagen oder kritisiert zu werden
  • schlechte Selbstregulation und Angst vor unangenehmen Gefühlen
  • Perfektionismus
  • Probleme beim Setzen von Prioritäten
  • Überforderung, wenn die Menge oder die Komplexität zu groß erscheint. (Hier findest du Abhilfe: 5 Schritte bei akuter Überforderung)
  • Unzureichendes Zeitmanagement (Planen, Überschätzung der Zeit die zur Verfügung steht
  • Fehleinschätzung der Aufgabe (z.B. Unterschätzung der Komplexität, …)
  • Schlechte Impulskontrolle und starker Wunsch nach sofortiger Belohnung (und geringe Fähigkeit diese Wünsche aufzuschieben)
  • Die eigene Leistungsfähigkeit und -bereitschaft wird falsch eingeschätzt
  • Unentschlossenheit
  • Fehlende Zeit, Überlastung
  • Mangelndes Geld
  • Verweigerung (passiver Widerstand)
  • Vorhandensein von psychischen Störungen (z.B. ADHS, Depression, …)

Weil die Gründe für Aufschieberitis und Prokrastination so umfangreich sind, gibt es auch an dieser Stelle keine allgemeingültigen Tipps, die für jeden funktionieren.

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Ich bin Expertin für Gesunde Produktivität. Als studierte Psychologin weiß ich ganz genau, wie menschliches Verhalten funktioniert und auch, wie es sich (mühelos) verändern lässt. 

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